Glossar

Glossar

Im Hintergrund des Filmes stehen viele Theorien und Ansätze der Sozialwissenschaften. Diese können im Film nur angesprochen oder angedeutet werden. Dieses Glossar soll dabei helfen, hier ein wenig Aufklärung zu schaffen, auf welche Theorie angespielt wird oder welcher Denker im Hintergrund des Filmes steht. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Die Namen sind chronologisch, die Begriffe alphabetisch geordnet.

Namen

Protagoras (490 – 411 v. Chr.)
Er war kein Atheist, aber auch kein Theist. Vielmehr glaubte er daran, dass die Götter zwar existieren, aber keinen Einfluss auf unser Dasein und unser Schicksal haben. Wir wissen über die Götter eigentlich gar nichts, was man Agnostizismus nennt.

Augustinus (354 – 430)
Größter Kirchenvater, noch über Thomas von Aquin. Er lehrte erstmalig die Ursünde, ist der Vor-Erfinder des Fegefeuers (Purgatorium) und entwickelte die berühmte Zwei-Reiche-Lehre. Für den Film ist wichtig seine Zeitvorstellung zu kennen. Augustinus glaubt, es gibt Zeit nur im menschlichen Bewusstsein, also nicht objektiv, sondern nur subjektiv. Wenn dem so ist, kann man die Vergangenheit vernachlässigen, weil sie nur eine gegenwärtige Vergegenwärtigung ist. Auch die Zukunft vernachlässigbar. Was bleibt ist die Gegenwart, d.h. der M

Johann Calvin (1509 – 1564)
Calvin gehört zur Reihe der großen Reformatoren: Luther, Münzer, Zwingli, Melanchton und eben Calvin. Er baute in Genf eine Art christliche Gesellschaft auf. Entscheidend ist die Interpretation vom dt. Soziologen Max Weber (1920). In dem Buch die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus zeigte Weber, dass die Entwicklung des abendländischen Kapitalismus letztlich religiöse Wurzeln hat. Weber vertrat folgende These in Kurzfassung: Calvin glaubte an die unbeschränkte Machtfülle und Freiheit Gottes. Diese könne nicht durch eines seiner Geschöpfe eingeschränkt werden. Deshalb kann der Mensch auch nicht durch gute oder schlechte Taten Gottes Entschluss, ihn in Himmel oder Hölle verbleiben zu lassen, beeinflussen. In der Folge entstand der Calvinismus.

Pascal (1623 – 1662)
Pascal sah den Menschen zwischen zwei Ewigkeiten, der Vergangenheit und der Zukunft. Zwischen diesen beiden ist der Mensch ein unbedeutendes kleines Etwas. Zum menschlichen Dasein gehört, dass er sich die großen Fragen stellt: Woher kommen wird, wohin gehen wir, was tun wir hier? Der Film spielt hierauf an: der Mensch stellt als anthropologische Konstante diese Großen Fragen. Der Titel des Films sollte darüber hinaus anfangs „Woher – Wohin“ sein.

Feuerbach (1804 – 1872)
Er entwickelte seine berühmte Projektionstheorie. Gott existiert nicht, sondern der Mensch projiziert seine besten Eigenschaften und Gedanken auf ein Wesen namens Gott. Diese personifiziert er und legt ihm alle optimalen Eigenschaften zu, die der Mensch gern selbst hätte: Allmacht, Güte, Weisheit etc. Der Mensch selbst bleibt demgegenüber defizitär und nichtig. Feuerbach wollte, dass der Mensch diesen sich durch die Religion vorgehaltenen Spiegel durchschaut und erkennt, was er wirklich ist.

Kierkegaard (1812 – 1853)
Er begründete den Existentialismus, war aber letztlich Christ. Eine Stoßrichtung, die im Film aber nicht zum Tragen kommt, ist seine harsche Kritik am verbürgerlichten Christentum. Im Film werden vor allem seine Vorstellungen von Freiheit angesprochen. Er ist der erste Existentialist. Die Existenz des Einzelnen steht im Mittelpunkt, vor allem dessen Denken. Jeder muss sich in jedem Augenblick für immer neue Lebensentwürfe entscheiden. Man kann also auch sein Leben in jedem Augenblick ändern.

Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)
Nietzsche ist bekannt als der Philosoph mit dem Hammer. Er zerschlug mit seinen emphatischen Texten die Themen der klassischen Metaphysik: Gott, Seele und Freiheit des Menschen. In seinem Werk „Zarathustra“ von 1888 lehrt er einen neues Typus Mensch, der in Zukunft auf der Erde erscheinen wird: der Übermensch. Diese ist in der Lage den Gedanke der ewigen Wiederkehr des Gleichen zu ertragen und auf jede Art von Jenseitsvorstellung vollkommen zu verzichten, sondern allein die Erde zu bejahen. Nietzsche verkündet den Tod Gottes, nicht weil er wirklich tot wäre, sondern weil er nie existiert hat; aber keiner glaubt mehr daran.

Begriffe

Coincidentia oppositorum
Dieser Begriff bedeutet, dann „Zusammenfall der Gegensätze“ und steht im Zentrum der Philosophie des Nikolaus von Kues. Bei ihm ist gemeint, dass in Gott alle Begriffe zusammenfallen. Wir benutzen diesen Begriff im Film dazu, um damit anzudeuten, dass alle in den vier Dialogen aufgeworfenen Widersprüche in der Einheit des Märchens am Ende aufgehoben sind. Dieses Aufheben ist im dreifachen Hegelschen Sinn gemeint: als „tollere“ (aufheben im Sinne von Vernichten), conservare (aufheben, im Sinne von Bewahren) und elevare (aufheben, Sinne auf eine andere Stufe heben). Das Märchen umfasst diese drei Momente.

Diesseits / Jenseits
Platon war der erste, der dem Diesseits eine zweite Welt gegenüberstellte. Er nannte sie Reich der Ideen. Dorthin kehrt die Seele nach dem Tod zurück. Das Christentum übernahm die Vorstellung eines Jenseits. Jesus predigte, mein Reich ist nicht von dieser Welt. Es ist jenseitig.

Digital native
Digital native nennt man die Jugendlichen, die mit sozialen Netzwerken aufwachsen und sich dort einen Großteil ihrer Zeit aufhalten.

Existentialismus
Der erste Existentialist ist Kierkegaard. Er war aber immer noch christlich geprägt. Anders hingegen Heidegger, der vor allem das ins Sein geworfene Leben des Menschen und dessen Zeitlichkeit (Vergänglichkeit) in den Mittelpunkt stellt. Ein atheistischer Existentialismus kommt dann mit J. P. Sartre auf, der meint: der Mensch ist permanent zur Freiheit verurteilt.

Globalisierung
Globalisierung heißt nichts anderes als Internationalisierung. Sie betrifft vor allem 4 Bereiche: die Vernetzte Welt (Kommunikation), den Weltbinnenmarkt (Ökonomie), die „Welt als globales Dorf“ (Gesellschaft), und die Welt als Risikogesellschaft (Sicherheit).

Kapitalismus
Man unterscheidet zwischen Früh-, Spät- und Hochkapitalismus. Im Film wird davon ausgegangen, dass die okzidentale Form des Kapitalismus seine religiösen Wurzeln im Calvinismus hat. Ihn zeichnen vor allem die doppelte Buchführung und das Reinvestieren von Gewinnen in Maschinen und Ausstattung aus. Die These nennt man in der Forschung die Weber-These. Gemeint ist Max Weber.

Kränkungen
Man spricht von den drei Kränkungen der Menschheit. Zunächst wurde der Mensch aus dem Mittelpunkt des Universums durch Kopernikus gerückt, dann durch Darwin in die Reihe des Tierreichs eingeordnet, um schließlich von Freud attestiert zu bekommen, durch das Es nicht mal Herr im eigenen Haus (= Ich) zu sein.

Kunstmärchen
Unser Märchen am Ende des Films trägt die Merkmale eines Kunstmärchens bzw. eines modernen Märchens. Diese Märchen haben anders als die Volksmärchen einen Autor so wie unser Märchen. Typische Kunstmärchen sind Jonathan Swift Gullivers Reisen, Hans Christian Andersen: Die kleine Meerjungfrau oder Adelbert von Chamisso, Peter Schlemihls wundersame Geschichte. Auch wir greifen wie die Kunstmärchen auf Metaphern zurück und verwenden Stil, Elemente und Themen aus Volksmärchen. Anders als Volksmärchen ist unser Märchen wie die Kunstmärchen nicht eindimensional und hat eine Handlungsebene und eine eigene Bedeutungsebene. Unser Märchen ist eine Grundmetapher für das Eingespeertsein in Systemen und die Möglichkeit, aus ihnen auszubrechen.

Religionskritik
Religionskritik ist so alt wie Religion selber. Bereits Xenophanes meinte, wenn die Ochsen Götter hätten, wären diese ochsenartig. Diese Tradition reicht bis heute zu R. Dworkin und seinem missionarischen Atheismus.

Systeme/Systemtheorie
Eine Theorie mit diesen Namen stammt von N. Luhmann. In unserem Film wird System vor allem mit Zwang und Einschränkung der Handlungsfreiheit assoziiert.

Überhöhungskultur
Dieser Begriff stammt genuin von Siegfried Schmitt. Es meint, dass wir im Laufe des Zivilisationsprozesses Teil einer Kultur werden. Wir sind dem ausgeliefert.

Ungläubiger Thomas
Nach der Auferstehung Jesu zeigt sich dieser seinen Jüngern. Als er in den Raum tritt, meinte Thomas, er wolle erst die Wundmale anfassen. Deshalb ist der ungläubige Thomas eine Metapher dafür geworfen, dass viele Menschen erst glauben, wenn sie etwas sehen und anfassen können.

Wiege des Abendlandes
Griechenland gilt als Wiege des Abendlandes (auch wenn man heute nicht den Eindruck hat). Im klassischen Zeitalter des Perikles findet sich in Athen und den umliegenden Inseln die wegweisenden Erfindungen in Mathematik, Astronomie, Musik etc. Auch das philosophische Dreigestirn Sokrates, Platon und Aristoteles lebten und wirkten hier. Ihre Wirkung reicht bis heute.

Zivilisation
„Als Zivilisation (von lateinisch civis ‚Bürger‘) wird eine menschliche Gesellschaft bezeichnet, bei der die sozialen und materiellen Lebensbedingungen durch technischen und wissenschaftlichen Fortschritt ermöglicht und von Politik und Wirtschaft geschaffen werden. Allgemeingültige Kennzeichen für Zivilisationen sind die Staatenbildung, hierarchische Gesellschaftsstrukturen, ein hohes Maß an Urbanisierung und eine sehr weitgehende Spezialisierung und Arbeitsteilung.“ So findet man es bei wikipedia. Im Film geht es um die negativen Folgen für den Einzelmenschen, die die Staatenbildung und die Kolonialisierung der Lebenswelt durch die Wirtschaft haben.