Märchen

Einbettung in den Film

Zu Beginn und am Ende des Films „Sehnsucht, die sich mit den Gegebenheiten streitet“ steht ein Märchen. Das Märchen möchte nicht alle im Film aufgeworfenen Fragen beantworten. Das wäre auch unmöglich. Das Märchen hat demnach innerhalb des Films unabhängig von seinem Inhalt eine bestimmte Botschaft. Es stellt den Versuch dar, das Unausdrückbare dennoch in Sprache zu fassen, mit dem Bewusstsein, dass unsere Sprache (wie es im Film ja auch angesprochen wird) nur begrenzte Möglichkeiten der Wahrheitsfindung bietet. Genau deshalb wurde auch die Form eines Kunstmärchens gewählt. Es knüpft an die große Traditionslinie an, die in der Antike beginnt und ihren bisher unerreichbaren Höhepunkt in der dt. Romantik fand, aber z.B. mit W. Moers noch heute großartige Vertreter hat.

Der Inhalt des Märchens ist schnell zusammengefasst: ein Bauernmädchen wird von einem etwas sonderbaren Prinz erwählt, geheiratet und in ein Schloss nahe beim Dorf gebracht. Hier lebt das junge Mädchen in einer Art goldenem Käfig, entfremdet sich immer mehr vom Prinzen und sich selbst, hat keinen Kontakt zur Außenwelt, ist aber von einer Pracht und Fülle umgehen, die es vorher nicht zu träumen gewagt hätte. Ihr wird nun klar, dass sie, um ihre Freiheit wieder zu gewinnen, das Schloss verlassen muss, mit dem Wissen, dass Sie auch nicht zu ihrer Familie und dem Dorf zurückkehren kann. Es ist ein Weg ins Unbekannte. Mit Hilfe ihres Bruders und einiger Wachleute kehrt sie schließlich ihrem bisherigen Leben den Rücken.

Das Märchen möchte folgende Gedanken zum Ausdruck bringen:
Der Mensch lebt permanent in sinnstiftenden Systemen, ist durch sein Handeln Teil von diesen und trägt damit automatisch zur Stabilisierung des Systems bei.

Um seine angeborene Freiheit zu wahren, kann der Mensch einerseits die Möglichkeiten der verschiedenen Teilsysteme bis an die Grenzen ausnutzen oder aber das System sprengen bzw. es verlassen.

Der Mensch kann und muss sich immer wieder neu entscheiden, auch und gerade gegen bisherige Lebensentwürfe, Ansichten und Meinungen. Er ist sozusagen, wie es bei Sartre und im Film heißt, zur Freiheit verurteilt.

Diese Dinge sind sinnbildlich im Märchen veranschaulicht: das Mädchen lebt im System Dorf (These) dann im Schloss (Antithese), verlässt beide und dies aus wohlabgewogener freier Entscheidung und wählt einen neuen Lebensentwurf (Synthese). In diesem Lebensentwurf sind alle bisherigen Elemente im dreifachen Sinne aufgehoben (Hegel).

Das Märchen wird einem kleinen Mädchen erzählt. Warum? Die kindliche Seele ist noch unverbraucht und steht noch am Beginn der Einbettung in Systeme. Das Märchen weckt bzw. stärkt den Freiheitsgeist im Kind.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kunstm%C3%A4rchen (entnommen am 27.8.2016). Kunstmärchen schrieben z.B. Goethe, Brentano, Tieck etc.